2,3 Milliarden Menschen oder Euro?
Hier ist überall Wirtschaft drinnen – auch wenn man sie nicht sieht. Am 29. Oktober 2023 wird erstmals der von der UNO ausgerufene „International Day of Care and Support“ begangen. Dazu gibt es passende Zahlen. Doch vorerst ein paar Fragen:
Wie viele Menschen gibt es aktuell weltweit?
Mehr als 8 Milliarden.
Wie viele davon benötigen Fürsorge und Pflege?
Mehr als 8 Milliarden.
„Wer Care in die Mitte der Ökonomie rückt, kehrt zu einer realistischen Selbstwahrnehmung zurück. Es wird wieder spürbar, dass alle Menschen, nicht nur die so genannten ‚Schwachen‘, fürsorgeabhängig sind“ Ina Praetorius
Gar nicht so wenige Menschen benötigen mehr. Mehr Pflege, mehr Fürsorge, mehr Unterstützung. Der International Day of Care und Support soll hier einen Fokus setzen. Doch die ganzen Tage. Ob sie reichen? Ein weiterer Tag reiht sich ein in all die vielen Aktionstage, die es mittlerweile aufs Jahr verteilt gibt. Neben dem Equal Care Day, dem Equal Pay Day, dem Weltfriedenstag, dem Tag der Gesundheitsforschung, dem Tag der Bildung, dem Tag gegen den Einsatz von Kindersoldaten, dem Welttag der Sozialen Gerechtigkeit, dem Weltfrauentag und vielen weiteren Tagen, findet nun auch der „International Day of Care and Support“ statt. Auch dieser Tag soll erinnern, informieren, einen Fokus setzen, Bewusstsein schaffen und Handlungsbedarfe aufzeigen. Die große Bedeutung der bezahlten als auch unbezahlten Pflegearbeit und die Zunahme des globalen Pflegenotstandes wird in den Mittelpunkt gerückt. Ein neues Thema oder schon seit Jahrzehnten bekannt? Ähnlich wie die drohende Klimakrise. Warum dauert alles so lange?
Argument 1: Transformationen brauchen ihre Zeit
Wirklich? Machen wir uns da nicht auch etwas vor? Über Transformationsprozesse wird viel geredet, geschrieben, geforscht. Die meisten Ergebnisse untermauern das Bild, es brauche seine Zeit, bis sich ein wirtschaftlicher Wandel etablieren kann, bis wir die echten, großen Probleme nachhaltig lösen. Stimmt das? Ist das nicht ein Widerspruch zu rascher Aufrüstung bei Kriegsausbrüchen, zum nun doch erstaunlich schnelleren Ausbau der Sonnenstrom- und Windenergie-Infrastruktur? Und was war in der Pandemie alles an Änderungen von heute auf morgen möglich?
Argument 2: Für so viel Pflege haben wir nicht ausreichend Geld.
Haben wir kein Geld oder haben wir dafür kein Geld? Wohl zweiteres. Investitionsstarke Konzerne werden gleichgesetzt mit dem Begriff „die Wirtschaft“. Sie sichern angeblich Arbeitsplätze und schaffen neue. Ergebnisse zeigen sich auch in Abhängigkeiten, der Zerstörung regionaler, dezentraler Infrastrukturen, Steuerfluchtdebatten und Auswirkungen bei Insolvenzen. Auch die Industrialisierung der Pflegedienstleistungen und ihr damit verbundener „Stiller Streik“ (Fachkräftemangel) zeigt, dass Pflege wie in der Waschstraße nicht mehr Pflege ist. Bekannte betriebswirtschaftliche Zahlen haben keinen Platz für Empathie, sich Zeit lassen und Beziehungspflege. Wir versuchen Pflege zu messen, anstatt das Messen in Frage zu stellen. Dabei ist das Kernelement von Wirtschaft Care – Fürsorge, Bildung und Pflege. Durch diesen fehlenden Wirtschaftsfokus werden Pflegenotstand und Umweltzerstörungen entkoppelt von unserem Wirtschaftsverständnis beurteilt. … und finden sich in Jahrestagen wieder.
Die Pflegekrise, die Klimakrise, die Energiekrise – Symptome einer Wirtschaftskrise.
Solange wir Klimaschutz und Pflege nicht als integrale und fundamentale Elemente des Wirtschaftens betrachten und Wirtschaft neu ausrichten, erzeugen wir weitere Symptome, die wir zu lösen versuchen. Verschwendung, die wir uns nicht leisten können. Die Wirtschaft selbst ist der Hebel für echte Veränderung. Wenn wir den täglichen Welt-Change-Tag als Tag der gesunden Wirtschaft ernst nehmen, können wir nachhaltigen Lösungen gerechter werden und auch rascher vorankommen.
Text: Elisabeth Sechser.