Das verlorene Einkommen - Caring Economy
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Das verlorene Einkommen

Die geschlechtsspezifische Einkommenslücke ist in vielen europäischen Ländern nach wie vor erheblich. Die Studie „Einkommenslücke: Ländervergleich Europa“ von Economiefeministe – Die schweizer Plattform für feministische Ökonomie – zeigt auf, wie stark Frauen in verschiedenen Ländern finanziell benachteiligt sind. In dieser Studie wird nicht nur der Gender Pay Gap, also die Höhe der durchschnittlichen Lohnunterschiede von Frauen und Männern betrachtet, sondern auch die Unterschiede in der Erwerbsbeteiligung und in der Höhe der Arbeitszeit. Wir haben uns das genauer angeschaut. Hier kommen einige Auswirkungen der Inequal Care-Arbeits-Verteilung.

Mit 1. März jährt sich wieder der Equal Care Day. Aus diesem Anlass dieser Beitrag als Zahl des Monats.

So wie es ist, kann es nicht weitergehen. Wir brauchen ein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem, in dem Care im Mittelpunkt steht.“

Feline Tecklenburg, Wirtschaft ist Care

Wer sich hier wundert, dass wir eine Zahl aus 2018 gewählt haben: Wir wundern uns auch und fänden es sehr wichtig und schön, wenn es politisch gewollt mehr Daten, regelmäßigere Zeitverwendungserhebungen und kürzere Intervalle rund um die Analyse unbezahlter Care-Arbeit gäbe.

Was ist die aggregierte geschlechtsspezifische Einkommenslücke AGEL?

Die AGEL misst die gesamte Einkommenslücke zwischen Frauen und Männern im erwerbsfähigen Alter. Sie berücksichtigt nicht nur den Gender Pay Gap (also den Lohnunterschied bei gleicher oder vergleichbarer Arbeit), sondern auch andere Faktoren, die das gesamte Einkommen beeinflussen.

  • Unterschiede in der Beschäftigungsquote
  • die Verteilung der unbezahlte Care-Arbeit
  • und damit einhergehend die Höhe der Wochenarbeitszeit

Sie bietet also eine umfassendere Sicht auf wirtschaftliche Geschlechterungleichheit als der reine Gender Pay Gap.

Auf der Grundlage von Eurostat-Daten zum GOEG, dem Gender Overall Earnings Gap in Prozent, aus dem Jahr 2018 legt Economiefeministe eine Tabelle der Einkommenslücke (AGEL) zwischen Frauen und Männern vor. Berechnet und ausgewertet von Louisa Roos und Christine Rudolf von Economiefeministe hat diese Einkommen Lücken in absolute Zahlen umgerechnet, um den finanziellen Unterschied besser darzustellen.

Welche Länder haben die größte Einkommenslücke?

Erklärung der Begriffe am Beispiel für Österreich:

GOEG – Gender Overall Earnings Gapin % – Das ist der prozentuale Unterschied im gesamten Einkommen von Frauen und Männern.

In Österreich verdienten 2018 Frauen im Durchschnitt 44 % weniger als Männer. Wenn ein Mann 100 € verdient, dann verdient eine Frau für dieselbe Leistung nur 56 €.

AGEL in Mio. EUR (Aggregierte Geschlechter-Einkommens-Lücke) – Hier wird berechnet, wie viel „verlorenes“ Einkommen insgesamt entsteht, weil Frauen weniger Geld für die gleiche Leistung verdienen und weniger Zeit erwerbstätig sein können als Männer, weil sie mehr unbezahlte Care-Arbeit leisten.

In Österreich fehlte 2018 durch die Einkommensunterschiede ein Gesamteinkommen von 53.787 Millionen Euro – also das Geld, das hätte verdient werden können, wenn Frauen gleich viel verdient hätten, wie Männer.

Hier ein Beispiel: Stellt euch vor, es gibt in Österreich 100 erwerbstätige Frauen und 100 Männer. Die Männer verdienen im Durchschnitt 50.000 € im Jahr, die Frauen nur 30.000 € im Jahr.

Das bedeutet, dass jede Frau 20.000 € weniger verdient als ein Mann. Wenn wir das auf alle 100 Frauen hochrechnest, fehlen ihnen zusammen 2.000.000 € pro Jahr.

Für alle erwerbstätgigen Frauen in Österreich ergibt sich im Jahr 2018 insgesamt ein „verlorenes“ Einkommen von 53.787 Millionen Euro. Dieses Geld fehlt Frauen und ist auch im Wirtschaftskreislauf nicht vorhanden.

Frauenanteil am Gesamteinkommen – Dieser Wert zeigt, wie groß der Anteil des gesamten in einem Land erzielten Erwerbseinkommens ist, der von Frauen erzielt wird.

2018 stammten 35 % des gesamten in Österreich erwirtschafteten Einkommens von Frauen. Männer verdienen 65 % des Gesamteinkommens. Das liegt daran, dass Frauen für die gleiche Arbeit weniger Geld pro Stunde verdienen, nach wie vor Männer häufiger in hochbezahlten Führungspositionen sind und aufgrund der hohen unbezahlten Care-Arbeit öfter in Teilzeit erwerbstätig sein können.

Das generierte Einkommen gibt keine Auskunft über die gesamte Arbeitsleistung für eine Volkswirtschaft. Die Summe der unbezahlten und bezahlten Arbeit zeigt, dass Frauen pro Tag mehr als Männer arbeiten.

AGEL als % des BIP (Bruttoinlandsprodukt) – Hier wird der Gesamtbetrag des entgangenen Einkommens (AGEL) ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) – zur gesamten Wirtschaftsleistung aller Waren und Dienstleistungen eines Landes – gesetzt.

Die verlorenen Einkommen entsprechen 2018 14 % des BIP. Das zeigt, wie groß der wirtschaftliche Schaden ist, den die Einkommensungleichheit und die ungerechte unbezahlte Care-Arbeitsverteilung verursachen.

Die Einkommensungleichheit führt zu individuellen Nachteilen für Frauen und zu einem messbaren wirtschaftlichen Schaden für das gesamte Land. Hätten Frauen die gleichen Einkommen wie Männer (AGEL 0 %), wäre die Welt gerechter und die Wirtschaft klüger. Frauen wären unabhängiger. Alleinerzieherinnen wären weniger von Armut betroffen und der Altersarmut von Frauen (Gender Pensions Gap) könnte man entgegenwirken. Frauen würden weniger Care-Lücken im System unbezahlt stemmen und bräuchten auch weniger Transferleistungen vom Staat. Männer würden einen höheren Beitrag für eine gerechte Care-Verteilung tragen. Auch wäre die Kaufkraft höher und würden mehr Steuern eingenommen werden. Frauen und der Wirtschaft insgesamt ginge es besser.

Siehe auch unsere Zahl des Monats Mai 2024: Die Verbesserung der Gendergleichstellung würde das Pro-Kopf-BIP der EU bis 2050 um 6,1 % bis 9,6 % erhöhen, das entspricht 1,95 bis 3,15 Billionen EUR. >>

AGEL als % der Staatsausgaben – Die Staatsausgaben umfassen alle öffentlichen Ausgaben für Bildung, Gesundheit, Infrastruktur, Sozialleistungen usw. Durch die schlechte, lückenhafte Bildungs- und Pflegeinfrastruktur, rutschen oftmals unbemerkt öffentliche Care-Aufgaben in die privaten Haushalte. In diesen elementaren ökonomischen Orten wird all das aufgefangen, was die „öffentliche Hand“ nicht meistert. Diese echten „unsichtbaren Hände der Wirstchaft“ ersetzen Wirtschaftsleistung unbemerkt.

Der AGEL als % der Staatsausgaben misst jenen Anteil, den Frauen, gemessen an dem was der Staat für seine Bevölkerung ausgibt, leisten. Je größer der Anteil an der Schaffung des Gemeinwohls durch unbezahlte Care-Arbeit durch Frauen und je weniger Frauen verdienen, desto höher ist dieser Wert. In der Schweiz, traditionell ein Land mit niedrigen staatlichen Ausgaben im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung, subventionieren Frauen mit ihrer Einkommenslücke 50 Prozent von dem, was der Staat an Ausgaben tätigt.

Wenn man diese aggregierte Geschlechter-Einkommenslücke mit diesen Staatsausgaben in Österreich vergleicht, kommt man auf fette 29 % der gesamten staatlichen Ausgaben.

Auch hier wird sichtbar, dass ein geschlechtergerechter Erwerbsarbeitsmarkt in starker Kombination mit einer geschlechtergrechten Care-Arbeitsverteilung zwischen Männern und Frauen erheblichen Einfluss auf die Höhe von Staatsausgaben und unsere volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit haben. Die Forderung „Mehr Frauen in Vollzeit“ ergibt keinen Sinn. Für die Caring Economy brauchen wir u.a. die faire Aufteilung der Care-Arbeit zu Hause – also attraktive Teilzeiterwerbsarbeits-Modelle für alle und großartige Bildungs- und Pflegeinfrastrukturen usw.

Die Studie zeigt deutlich, dass die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen nicht nur durch Lohnunterschiede entsteht, sondern durch strukturelle Ungleichheiten. Länder, die aktiv Maßnahmen zur Gleichstellung ergriffen haben, zeigen, dass eine gerechtere Einkommensverteilung möglich ist. Österreich und andere Länder mit hoher AGEL müssen daher gezielt Reformen umsetzen, um Frauen finanziell gleichzustellen.

In einem Bericht der GPA Frauen zur Lohntransparenz im internationalen Vergleich werden wichtige Schritte zur Schließung der Einkommensschere veranschaulicht. Auch in einem Beitrag von LONO findet man einen Überblick zu Mutterschutz und Elternteilzeit im internationalen Vergleich.


Warum ist die Einkommenslücke in Österreich so groß?

Österreich gehört zu den Ländern mit einem besonders hohen AGEL. Gründe dafür:

1. Unbezahlte Care-Arbeit

In Österreich ist die Verteilung der unbezahlten Care-Arbeit zwischen Frauen und Männern nach wie vor ungleich. Laut der Zeitverwendungserhebung 2021/22 der Statistik Austria verbringen erwachsene Frauen unter 65 Jahren durchschnittlich 4 Stunden und 19 Minuten pro Tag mit unbezahlter Arbeit, während Männer in derselben Altersgruppe dafür etwa 2 Stunden und 29 Minuten aufwenden. Das bedeutet, dass Frauen täglich fast 2 Stunden mehr unbezahlte Arbeit leisten als Männer. >>

2. Hohe Teilzeitquote bei Frauen

Diese ungleiche Verteilung der Care-Arbeit setzt sich in der Erwerbsarbeit fort. Frauen sind in Österreich mehr in Teilzeit erwerbstätig.

Laut Statistik Austria betrug die Teilzeitquote bei Frauen in Österreich im Jahr 2023 50,6 %. Das bedeutet, dass mehr als die Hälfte der erwerbstätigen Frauen einer Teilzeitbeschäftigung nachging. Diese hohe Teilzeitquote liegt deutlich über dem EU-Durchschnitt von 29,3 % und zählt zu den höchsten in Europa.

3. Berufswahl und Branchenverteilung

Schlechtbezahlte Branchen sind Frauenbranchen  das zeigt eine Analyse des Momentum Institut aus dem Jahr 2023. Die Daten zeigen uns, dass in den bestbezahlten Branchen überwiegend Männer arbeiten. So sind 8 von 10 Vorständen oder Geschäftsführer:innen männlich und haben einen durchschnittlichen Bruttostundenlohn von 51,4 Euro. In Österreich sind von 10 Frisör:innen 9 weiblich, sie bekommen in der Stunde durchschnittlich 12,5 Euro brutto.  

4. Karriereunterbrechungen

Auch in Österreich unterbrechen Frauen ihre Erwerbstätigkeit häufiger als Männer, um sich um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zu kümmern. Diese Erwerbsunterbrechungen haben langfristige Auswirkungen auf Karrierechancen und Gehalt.

Laut einer Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung WIFO ziehen sich viele Frauen mit der Geburt eines Kindes vorübergehend aus dem Arbeitsmarkt zurück, wobei der Wiedereinstieg häufig über eine Teilzeitbeschäftigung erfolgt.

Diese Unterbrechungen und die anschließende Teilzeitarbeit führen zu erheblichen Einkommensverlusten. Eine Untersuchung des Arbeitsmarktservice (AMS) zeigt, dass Erwerbsunterbrechungen und nicht anerkannte Arbeit negative Auswirkungen auf die beruflichen Perspektiven von Frauen haben, was zu schlechteren Karrierechancen und geringeren Einkommen führt.

„Wenn wir die Care-Herausforderungen wirklich bewältigen wollen, brauchen wir dringend eine Umverteilung gesellschaftlicher Ressourcen.

Emma Dowling, fair sorgen!

Friendly reminder: Die Erfindung der Hausfrau ist ein kapitalistischer Schachzug und kein Naturgesetz >>

Hier findet ihr alle Zahlen des Monats

Fortsetzung folgt!

Wer Fragen hat, eine spannende Zahl kennt oder mehr über die Caring Economy erfahren will, kann sich sehr gerne bei mir melden. Elisabeth Sechser +43 676 6103913 elisabeth@caringeconomy.jetzt